Von Melissa Valentine | Leiterin für den Bereich Einzelhandel, Locus Robotics
Der Einzelhandel hat einen gewaltigen Wandel vollzogen – vom stationären Handel hin zu E-Commerce, Omnichannel-Vertrieb, Micro-Fulfillment-Zentren, Schnelllieferservice und Back-of-House-Fulfillment. Gleichzeitig hat die Pandemie die digitale Transformation des Einzelhandels mit Automatisierungstechnologie weiter beschleunigt – mit katastrophalen Folgen für alle, die nicht darauf vorbereitet waren.
Einige halten an der „Rückkehr zur Normalität“ fest und bauen darauf, dass das Leben wieder so wird wie vor der Pandemie. Die Veränderungen, die der Einzelhandel derzeit vornimmt, sind jedoch nicht vorübergehend, sondern von dauerhafter Natur. Alle Einzelhändler hatten langfristig die digitale Transformation und Automatisierung ihrer Warenlager eingeplant. Die Pandemie hat lediglich die Zeitspanne bis dahin um mehrere Jahre verkürzt.
Rasanter Anstieg der Nachfrage im Einzelhandel
Der Online-Handel ist gerade dabei, das Kauferlebnis der Kunden mithilfe von Retail-Automatisierung erheblich zu verbessern, zum Beispiel durch einfache Liefer- bzw. Abholoptionen und kostenlose Rücksendungen. Zudem können Kunden binnen Sekunden eine Vielzahl von Artikeln vergleichen, bevor sie einen Kauf tätigen.
Der Miteigentümer der Bekleidungsmarke GANNI gab Forbes eine Änderung seiner Geschäftsausrichtung bekannt, nachdem das Unternehmen über Nacht ein Drittel seines Umsatzes eingebüßt hatte: „Angesichts der COVID-19-Pandemie werden wir unsere Geschäftsprioritäten ändern. Wir werden unsere digitale Strategie beschleunigen, die Anzahl der Musterstücke reduzieren, einen virtuellen Showroom einrichten und uns von der traditionellen Modesaison lösen.“
Hinzu kommt, dass unsere zunehmend globale und zunehmend virtuelle Welt für immer rasantere Nachfrageschübe sorgt. Forbes bezeichnete die Kaufbeeinflussung durch Influencer als einen der fünf Top-Trends im Einzelhandel für 2021. Kunden kaufen zunehmend nach Empfehlungen von Social-Media-Influencern und Prominenten, was häufig zu Nachfrageverschiebungen bei Trendprodukten führt. Einzelhändler sehen sich dann mit einem Überschuss an vormals beliebten Produkten konfrontiert; gleichzeitig müssen sie ihre Lagerbestände umgehend austauschen, um Platz für den nächsten Nachfragetrend zu schaffen.
Die Herausforderung für Einzelhändler besteht heute darin, sowohl eine geeignete Struktur als auch die notwendige Flexibilität für diese unberechenbaren Nachfrageverschiebungen zu finden.
Neue Strukturen und Konzepte für eine flexible Auftragserfüllung
Im Wettlauf um höhere Produktivitäts- und Erfüllungsraten sind sogenannte Micro-Fulfillment-Zentren in den nationalen Fokus gerückt. Die Betreiber solcher Zentren verzeichnen nach der Automatisierung ihrer Warenlager einen erheblich höheren Durchsatz, trotz gleichbleibender Personaldecke. Angesichts dieses Erfolgs lohnt es sich, über eine Neukonzeption bestehender Einrichtungen bzw. den Neubau von Warenlagern nachzudenken.
Der Lebensmittelhandel ist ein gutes Beispiel dafür: Es gibt einige Frühanwender, die nun ihren gesamten Micro-Fulfillment-Prozess auf einer Retail-Roboterlösung aufbauen. Obwohl der Lebensmittelhandel über eine der kleinsten Gewinnmargen im Einzelhandel verfügt, und obwohl es kostspielig ist, näher am Kunden zu sein, wird nachweislich eine Kapitalrendite erzielt.
Gleiches gilt für Unternehmen, die bereits bestehende Lagerbetriebe mithilfe von Retail-Robotern automatisieren. Laut Branchenmagazin Progressive Grocer ist der anfängliche Investitions- und Zeitrahmen für die Inbetriebnahme der Lagerroboter in einem Micro-Fulfillment-Zentrum überschaubarer als bei einem herkömmlichen Fulfillment-Center. Bei einigen der profitabelsten Automatisierungslösungen ist die Inbetriebnahme sogar ohne Unterbrechung des laufenden Betriebs bzw. der Produktion möglich, wodurch sich die Zeit bis zur Amortisierung oftmals auf Monate oder Wochen reduziert.
Kleinere Einzelhändler nutzen die Möglichkeit, sich in Multi-Tenant-Logistikzentren einzumieten und die Kosten für eine Retail-Automatisierungslösung mit anderen zu teilen; so kann auch hier eine schnellere Kapitalrendite erzielt werden. Von einer flexiblen On-Demand-Lösung profitieren insbesondere Einzelhändler, die hohe Anfangsinvestitionen vermeiden wollen, da diese Kosten oft heftiger zu Buche schlagen als kleinere, monatliche Betriebskosten.
Optionen für Einzelhändler
Die Frage, ob man automatisieren sollte, kann nur mit einem Ja beantwortet werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, Roboter zu integrieren, die Einzelhändler derzeit bewerten und umsetzen. Relevante Entscheidungsfaktoren wie Kosten, Umfang, Infrastrukturanforderungen und eventuelle Ausfallzeiten während der Installation werden die Liste möglicher Optionen bereits einschränken. Beispielsweise erfordern Robotiklösungen, die mit einem Grid arbeiten, eine umfassende Planung und Anpassung der Infrastruktur, so dass sie meist nicht auf derselben Fläche installiert werden können, die bereits für den laufenden Betrieb genutzt wird.
Obwohl Roboterarme Produkte effektiv kommissionieren können, eignen sie sich nicht als alleinige Lösung zur Auftragserfüllung. Sie funktionieren nur als Teil einer hybriden Automatisierungslösung, in der sie gemeinsam mit Förderbändern und weiteren Robotern oder Maschinen zusammenwirken, was wiederum sehr kostspielig ist. Aus diesen Gründen entscheiden sich viele Unternehmen für eine Multi-Bot-Lösung. Diese erfordert nur geringe Änderungen an der Infrastruktur, kann während des laufenden Betriebs installiert werden und lässt die Mitarbeiterproduktivität um ein Vielfaches steigen, sodass bereits innerhalb weniger Monate – und nicht erst nach Jahren – ein ROI erzielt werden kann.
Die Multi-Bot-Lösung
Die Multi-Bot-Lösung arbeitet mit autonomen mobilen Robotern (AMR) auf Basis eines Robots-as-a-Service (RaaS)-Modells und beseitigt im Wesentlichen die Vorausinvestitionen, denen viele Automatisierungspläne zum Opfer fallen. Geschäfte und Lager überwachen ihre Nachfrage in Echtzeit, bestellen bei Volumenanstiegen zusätzliche Lagerroboter und senden diese wieder zurück, sobald sie zum Normalbetrieb zurückkehren. Die Roboterflotte arbeitet so sicher, dass sie auch in hybriden Umgebungen eingesetzt werden kann, ob zur Kommissionierung im Lagerraum oder entlang schmaler Gänge zu den verschiedenen Artikelstandorten.
Eine Multi-Bot-Lösung ist so flexibel, dass sie sowohl in hybriden, auf den Menschen ausgerichteten Umgebungen als auch in Dark Stores bzw. Micro-Fulfillment-Zentren und E-Commerce-Fulfillment- Zentren für hohe Leistung sorgt. Die Roboter lassen sich leicht transportieren und sind deshalb nicht ortsgebunden, sodass ungenutzte Roboter nach Bedarf zwischen mehreren Standorten hin- und herbewegt werden können. Dank dieser hohen Flexibilität sind Lager auch für vollkommen unerwartete Nachfragespitzen oder Schwankungen bestens gerüstet; dies macht den gesamten Betrieb zukunftssicher.
Von einer Multi-Bot-Lösung profitieren große wie kleine Einzelhändler, wenn es darum geht, einige ihrer drängendsten Probleme zu lösen, zum Beispiel hinsichtlich Kommissioniergenauigkeit, Mitarbeiterschulung und Einhaltung der Abstandsregeln. Sowohl in den Geschäften als auch im Lager äußern sich die Mitarbeiter positiv und begeistert über ihre Roboterkollegen. Sie erleben hautnah, wie sich ihre persönliche Arbeitsleistung durch eine nahezu perfekte Kommissioniergenauigkeit verbessert. Angesichts der derzeitigen pandemiebedingten Gegebenheiten fördert die Multi-Bot-Lösung bereits vom Konzept her das Abstandhalten. So können Einzelhändler ihre hohe Produktivität aufrechterhalten und gleichzeitig die Sicherheitsrichtlinien einhalten.
Erfahren Sie in unserem Video, was Führungskräfte und Manager über den Einsatz der Multi-Bot-Lösung von Locus in ihrem Betrieb sagen und wie die erfolgreiche Integration seitens der IT-Teams in den verschiedenen Unternehmen verlief. Zwar ist das automatisierte Fulfillment im Einzelhandel bereits seit einigen Jahren ein Zukunftsthema, doch wurde durch die Coronakrise die weitere Zeitplanung erheblich beschleunigt. Gerade für Lebensmittelhändler ist die Einführung robotergestützter Automatisierung eine wichtige Chance, sich erfolgreich in einem hoch gesättigten, besonders betroffenen Markt zu positionieren.